Shaolin Kung-Fu

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Als Shaolin Kung Fu (Shaolin Gongfu, shaolin kung fu: „Shaolin-Fähigkeiten“), Shaolin Quanfa (chin. „Shaolin-Faust-Fähigkeiten“) oder kürzer: Shaolin Quan („Shaolin-Faust“) werden die chinesischen Kampfkunst-Stile bezeichnet, die sich in irgendeiner Weise auf das chinesische Shaolin-Kloster beziehen.

Versteht man den Begriff im engeren Sinn, dann zählt man dazu nur die Techniken, die Legenden zufolge in der Gründungsstätte, dem buddhistischen Shaolinkloster am Berg Songshan in der Provinz Henan (China), entwickelt wurden. Im weiteren Sinn werden darunter auch Stile gefasst, die von anderen, mit Shaolin verbundenen, Klöstern oder auch von Wandermönchen stammen sollen.

Historische Wurzeln

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Der älteste historische Beleg für eine Beteiligung des Shaolin-Klosters an kriegerischen Auseinandersetzungen ist eine Stele aus dem Jahr 728, welche die Beteiligung an zwei historischen Ereignissen beschreibt, nämlich die Verteidigung des Klosters gegen Banditen im Jahr 610 und seine Beteiligung am Sieg der Tang-Dynastie über Wang Shichong in der Schlacht von Hulao im Jahr 621.

Darüber hinaus wird die Patronage der Tang-Dynastie für das Kloster erwähnt. Es finden sich jedoch keinerlei Hinweise auf irgendwelche speziellen Kampfkunstfähigkeiten der Shaolinmönche

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Bis zum 15. Jahrhundert existiert kein weiterer Beleg für eine kriegerische Betätigung der Shaolinmönche. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert existieren mindestens 40 Quellen, die von speziellen Kampfkunstfähigkeiten der Shaolinmönche berichten. Diesen Quellen zufolge sind in der Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem gesamten von der Ming-Dynastie beherrschten Reich Militärexperten ins Shaolinkloster gereist, um diese Kampfkunstfähigkeiten zu studieren.

Die Quellen sprechen insbesondere von waffenlosen Kampfformen, von Speer- und Stockfechttechniken.

Das älteste überlieferte Handbuch über Shaolin-Kampftechniken, die „Abhandlung über die originale Shaolin-Stockkampf-Methode“, wurde um 1610 verfasst und 1621 veröffentlicht. Sie berichtet davon, was ihr Autor, Cheng Zongyou, in seinem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Shaolinkloster gelernt hatte.

Kampfkunsttugenden

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Der Ursprung der Shaolin-Kampfkunst wird auf den indischen Mönch Bodhidharma (chin. Putidamo, jap. Bodai-Daruma oder Daruma) zurückgeführt, der um 512 ins Kloster kam, um dort den Chan-Buddhismus (Zen-Buddhismus) einzuführen. Er musste angeblich feststellen, dass die dortigen Mönche nicht genug Ausdauer hatten, die viele Stunden dauernden Meditationsübungen durchzuhalten.

Ausgehend von verschiedenen Yoga-Übungen entwickelte er deswegen eine tanzähnliche Übungsreihe, die als Shi-ba-luo-han-shou (die 18 Hände des Buddha) berühmt wurde. Sie waren aus den Techniken des indischen Vajramushti hergeleitet. Dazu verfasste er zwei Sutras, Yi-jin-jing („Transformation der Sehnen und Bänder“, verschiedene Atemtechniken zur Verbesserung der Ausdauer) und Xi-sui-jing („Waschung des Marks“, zur Entwicklung von Selbstdisziplin und innerer Stärke).

Sinn der Übungen war primär, den Körper ausreichend zu stärken. Bodhidharma entwarf außerdem das Wu-de („Kampfkunsttugend“), welches zu Disziplin, Selbstbeherrschung, Bescheidenheit und Achtung vor dem Leben mahnte. Da sich in der Praxis zeigte, dass die so Trainierten auch erfolgreicher bei der Selbstverteidigung waren, begann man die Übungen auszuweiten. Der Stil wurde sowohl um tänzerische Elemente als auch um Selbstverteidigungstechniken erweitert.

Reform im 14. Jahrhundert

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Eine umfangreiche Reform führte der Shaolin-Mönch Jue Yuan im 14. Jahrhundert durch. Ab diesem Zeitpunkt umfasste das System 72 Übungen, zu denen Schläge (Da), Tritte (Ti), Würfe (Shuai), Griffe (Qinna) und Methoden zur Stimulation von Vitalpunkten (Dianxue) gehörten. Die Übungen sind unter verschiedenen Namen bekannt, z. B. Di-sha-shou („Teufelshand“) oder Zuo-ku-shu („Kunst der schmerzhaften Zwingen“). Er arbeitete außerdem Bodhidharmas Kampfkunsttugenden zu den „10 Regeln des Shaolin Quanfa“ aus, die die Grundlage heutiger Dojo-Kuns sind.

Die fünf Tierstile

Um das System weiter zu perfektionieren, reiste Jua Yuan durch das Land, auf der Suche nach Kampfkunst-Experten. Zusammen mit seinem Arzt konnte er Bai Yu Feng zu einer gemeinsamen Arbeit bewegen, die schließlich zu den fünf Tierstilen führte. Diese Übungen wurden oft den Bewegungen von Tieren nachempfunden, weil man hoffte, so Instinkte und Fähigkeiten der imitierten Tierarten erwerben zu können. Insgesamt 170 Aktionen verteilten sich auf folgende Bewegungstypen:

  • Drache (long) - Techniken zur geistigen Entwicklung (eine Art „Mentaltraining“)
  • Schlange (she) - Dehnungstechniken
  • Tiger (hu) - Techniken zur Stärkung von Knochen und Muskeln
  • Leopard (pao) - Training von Schnelligkeit, Koordination und Ausdauer
  • Kranich (he) - Techniken zur allgemeinen Kräftigung und Vitalitätssteigerung

Diese mussten alle Shaolin-Schüler im ersten Ausbildungsjahr vollständig lernen!

Grundsätze des traditionellen Shaolin

Shaolin-Kampfkunst wird heutzutage in einer unüberschaubaren Vielzahl von Schulen und Stilen auf der ganzen Welt gelehrt. Traditionell ausgerichtete Schulen versuchen - im Unterschied zu modernen Schulen, die sich auf das von China aus propagierte moderne Wushu konzentrieren - folgende Techniken und Prinzipien zu betonen:

  • Shaolin ist eine ernste Kampfkunst, die körperlich anstrengende und repetitive Bewegungsübungen erfordert.
  • Shaolin ist kein Sport. Shaolin ist auch keine Folklore, darum verzichten traditionelle Schulen auf Tiernamen für diverse Techniken, auf blumige Gründungslegenden und auf farbenprächtige Kostüme und Aufführungen. Shaolin hat keine tänzerischen oder pekingoperhaften Momente.
  • Beim Shaolin steht nicht die Selbstverteidigung im Vordergrund, sondern die Bewegungsmeditation. Daher sind viele Übungen nicht auf Kampfsituationen anwendbar.
  • Shaolin kann man nicht als Wettkampf oder als Sparring betreiben, da seine Techniken auf ernsthafte Verletzung oder gar Tötung des Gegners ausgelegt sind.
  • Shaolin hat keine Graduierungen (verschiedenfarbige Gürtel, Dans etc.). Schüler lernen und verbessern sich fortlaufend, um ihre Fertigkeiten zu verbessern, nicht, um einen höheren Grad zu erlangen.

In der Epoche der Ming Dynastie (1368-1644 n.Chr.) wuchsen die Shaolin-Kloster zu hoch anerkannten Zentren für Philosophie, Geschichtsschreibung, Mathematik, Kampfkünste und Poesie heran.
Die Tempel beherbergten dabei über 1000 Soldatenmönche, welche oft von der Regierung dazu benutzt wurden, um Aufstände niederzuschlagen.

Brand und Aufstand - Der Niedergang

Selbst unter dem Schutz der Shaolin-Mönche wurde der Tempel dennoch einige Male ernsthaft durch Brände beschädigt. Das Feuer, das von der Armee der Shi Yousan 1928 gelegt wurde, hat die meisten der Gebäude des Shaolin-Tempels vollständig zerstört, so dass sie später wieder von neuem aufgebaut werden mussten.

Der Boxeraufstand chinesische Bewegung gegen
den europäischen,
nordamerikanischen
und japanischen Imperialismus
1901 markierte letztendlich den Beginn des Niedergangs der Shaolin Tempel. Im späten 19. Jh. wurde China von westlichen und japanischen Regierungen aus Geschäftsinteressen besetzt.

Die lange Feindschaft zwischen Japan und China verschlimmerte sich einmal mehr und bezog jetzt zunehmend alle ausländischen Mächte mit ein. Das Resultat davon war, daß sich eine Nationalistische Bewegung zu entwickeln begann. Die Frontsoldaten der neuen Order waren legendäre Kampfkunst-Praktizierende, von denen viele von Shaolin kamen, besser bekannt als die Boxer. Deren erste Anschläge auf die Besatzungsmächte waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt und führten zu einer moderneren Erneuerung, die das Anwenden von modernen Waffen und Taktiken mit einbezog.

Bedeutung von Kung-Fu-Filmen

Viele Darsteller in fernöstlichen Action-Filmen, sogenannten Eastern, sind oder waren hervorragende Exponenten von Shaolin-basierten Kampfkunststilen. Ihre Leindwandpräsenz wirkt zurück auf die Wahrnehmung und die Weiterentwicklung aktueller Kampfstile (so z.B. Bruce Lee, Jet Li, Jackie Chan)